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10. August 2016
„Anleger sind vielfach nicht ausreichend breit diversifiziert“

„Anleger sind vielfach nicht ausreichend breit diversifiziert“

Die Finanzmärkte präsentieren sich auch 2016 wieder extrem volatil. AssCompact bittet Investmentexperten um Orientierungshilfe in Form von Antworten auf fünf grundlegende Anlegerfragen. Diesmal mit Gerhard Beulig, Senior Fondsmanager Multi-Asset-Management bei Erste Asset Management.

Herr Beulig, Aktien gelten vielen Deutschen nach wie vor als zu riskant. Zu Recht?

Die täglichen, teils hohen Kursschwankungen an den Aktienbörsen schrecken viele private Anleger ab. Auch im Vergleich zu anderen Wertpapieren, wie Anleihen, fällt die Schwankungsfreudigkeit höher aus. Dem kurzfristigen Auf und Ab sollte man keine allzu große Aufmerksamkeit schenken. Je länger der Veranlagungshorizont ist, desto höher darf auch die Aktienquote sein.

Ein weiterer Grund: Vielfach sind Anleger nicht ausreichend breit diversifiziert und nehmen Schwankungen in Kauf, die sie durch eine breite, internationale Diversifikation reduzieren könnten. Manche haben in ihrem Wertpapierdepot nur ein paar Einzeltitel oder Themenfonds und achten zu wenig auf die Gesamt-Allokation zwischen Aktien – Anleihen und Cash.

Vor dem Hintergrund des derzeitigen Niedrigzinsumfelds kommt man an einer Aktienveranlagung nicht vorbei. Für Neueinsteiger bietet sich zum Beispiel ein gemischter Fonds mit einer stabilisierenden Anleihentangente an.

Wo stehen Dax & Co in einem Jahr bzw. in fünf bis zehn Jahren?

Wir gehen vor dem Hintergrund einer weiter moderat wachsenden Wirtschaft, bei gleichzeitig niedrigen Zinsen, von einer positiven Wertentwicklung aus. Auf längere Sicht sind im Durchschnitt 5% – 6% jährliche Wertsteigerung inklusive Dividendenzahlungen möglich. Für den DAX würde das in etwa ein Indexstand von ca. 11.500 bis etwa 16.000 Punkten bedeuten.

Gibt es am Anleihemarkt noch attraktive Zinsen bzw. Renditen?

Um attraktive Renditen mit Anleihen zu erzielen, ist es derzeit unausweichlich, sich im Segment der Unternehmensanleihen bzw. Schwellenländer-Anleihen umzusehen.

Je nach Risikobereitschaft können hier Anleihen aus dem hochqualitativen Investment Grade Ratingsegment (gute bis sehr gute Bonitäten) oder aus dem sogenannten High-Yield-Segment (mäßige bis schlechte Bonitäten) gewählt werden. Bei Schwellenländer- oder Unternehmensanleihen empfiehlt sich aufgrund des Ausfallsrisikos von einzelnen Titeln eine größtmögliche Streuung, wie Sie zum Beispiel mit Fonds möglich ist.

Wie gefährlich ist die Lage in China für die Finanzmärkte?

China befindet sich in einer Transformationsphase von einem export- und investitionsgetriebenen Wachstum zu einer stärker von Dienstleistungen und dem Inlandskonsum dominierten Wirtschaftsstruktur. Um gewaltige Infrastrukturinvestitionen zu finanzieren wurde die Verschuldung in die Höhe getrieben. Die Politik Chinas zielt nun darauf ab, den Übergang so reibungslos wie möglich zu gestalten und das Niveau der Kredite einzubremsen. Der Einfluss Chinas ist natürlich recht groß. Das Positive an der Konstellation für die Finanzmärkte ist allerdings, dass nun nicht mehr ausschließlich die USA die globale Konjunktur maßgeblich bestimmen wird, sondern eine ausgewogenere Situation eintritt.

Was ist derzeit die größte Gefahr für die Finanzmärkte?

Auf absehbare Zeit könnten nicht erwartete Zinserhöhungen in den USA die Märkte verunsichern. Davon ist aber nicht auszugehen. Die Situation in der Türkei beinhaltet einige, zumindest politische Herausforderungen. Des Weiteren sind der Ausstieg Großbritanniens aus der EU, Abspaltungstendenzen von beispielsweise Katalonien in Spanien und die generelle Uneinigkeit bezüglich des Flüchtlingszustroms nach Europa weitere Unsicherheitsfaktoren. Die derzeitige prekäre Situation mancher italienischer Banken wird sich unserer Meinung nach durch eine staatliche Lösung wieder abschwächen. (mh)